„Und im Verlauf der Pandemie wird deutlich, dass die psychische Gesundheit der Bevölkerung bereits relativ früh erodiert.“
„So ist es, und für die Resilienz und Stärkung der psychischen Widerstandskraft sollen deshalb auch Angebote wie beispielsweise Telefonhotlines oder Online-Therapien unterstützen.“
„Wenn von kompetenter Seite festgestellt wird, wonach die Pandemie letzten Endes ein Naturphänomen sei, das vermag, dem Menschenvolk die Augen für dringend notwendige Korrekturen zu öffnen, so geht es dabei auch um das richtige Verhältnis zur Natur selbst.“
„Na klar, anfangs waren es die Schadstoffe und Treibhausgase in der Luft.“
„Die aber mit den Corona-Maßnahmen radikal heruntergefahren wurden.“
„Und in Peking genauso wie in Mailand wenigstens vorübergehend wieder einmal frische Luft erfahrbar machten.“
„Dann kam die Stille hinzu.“
„?“
„In der Pandemie waren die Gesänge der Sperlinge nicht nur viel besser zu hören, auch ihre Reichweite verdoppelte sich.“
„Weil die Vögel nicht mehr gegen den Alltagslärm anplärren mussten, um von ihresgleichen überhaupt noch gehört zu werden?“
„Obwohl ein Vogelhirn nicht mehr als fünf bis zwanzig Gramm wiegt, sind einige Arten trotzdem schlau.“
„Warum?“
„Sie benutzen Werkzeuge, spielen nach entsprechendem Training Memory, planen die Zukunft, können sich in andere hineinversetzen, Zusammenhänge erkennen und entsprechende Schlussfolgerungen ziehen.“
„Obwohl sich seit hundertfünfzig Jahren die Ansicht hält, dass ein Vogelhirn lediglich aus Klumpen grauer Zellen besteht.“
„Und das Schimpfwort „Spatzenhirn“ nur der Ausdruck dieser historischen Geringschätzung ist.“
„Ja, denn neuere Forschungen zu neuronalen Aktivitäten der Tiere werfen zumal aus evolutionsgeschichtlicher Sicht vielmehr die Frage nach dem Ursprung des Bewusstseins auf.“
„?“
„Danach hatte entweder der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Krähe, der vor etwa 320 Millionen Jahren lebte, bereits ein Wahrnehmungsbewusstsein, das in den beiden Entwicklungslinien vererbt wurde.“
„Oder das Wahrnehmungsbewusstsein ist während der Evolution mehrmals und unabhängig voneinander entstanden.“
„Ja, weil nämlich Lebewesen mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert waren und dafür ähnliche Lösungen gefunden haben.“
„Jedenfalls stellt Corona die Menschen vor grundsätzliche Fragen: Beispielsweise wollen wir überhaupt so viel konsumieren wie vor der Pandemie?“
„Viele meinen, die Maske sei eine Gierbremse, die Atmosphäre in den Geschäften habe damit etwas Bedrohliches, das Einkaufen habe somit seine „Entertaiment-Funktion“ verloren.“
„Viele Verbraucher trauern aber dem Konsumrausch früherer Zeiten aber nicht allzu sehr nach.“
„Und: Veränderungen, die sonst wahrscheinliche Jahre gedauert hätten, reduzieren sich auf wenige Wochen.“
„Das heißt, je länger eine Krise dauert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich Routinen ändern.“
„Auch solche bei Klassentreffen?“
„Logisch, auch solche.“
„Zumal die Ökonomie ohnehin nur von einem Konsum von Gütern abhängt, die im Prinzip auch verzichtbar sind.“
„Also Menschen legen einerseits zwar Wert auf ihre „moralische Identität“, geben sich aber bald damit zufrieden, zumindest manchmal ethisch gehandelt zu haben? Und schauen also anderswo dann gerne mal weg?“
„Ja, Psychologen nennen dieses Phänomen moral self-licensing“.
„Und wie nennen die das Phänomen, wenn ein paar ehemalige Holaner jedes Jahr um die gleiche Zeit in die gleiche Kneipe rennen?“
„Wahrscheinlich auch moral self-licensing.“
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